Veranstaltung: | 40. LPT BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Wahlen zum Landesvorstand |
Antragsteller*in: | Mirko Wolff |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 06.06.2018, 12:27 |
B-12: Bewerbung: Der Mensch im Mittelpunkt
Antragstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir begehen dieser Tage das 25 jährige Jubiläum von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in
Sachsen-Anhalt. Viele Menschen, die sich in der Vergangenheit – aber auch heute
– in unserer Partei engagiert haben und engagieren, haben schon vor 1993 als
Mutmacher*innen in mutloser Zeit gewirkt. So suchte z. B. Hans-Jochen Tschiche
in den bleiernen 1980er Jahren der DDR gemeinsam mit Menschen aus der
oppositionellen Friedens- und Umweltbewegung Auswege aus dem gesellschaftlichen
Stillstand seiner Zeit.
Seit dem ist viel Zeit vergangen und vieles an gesellschaftlicher Entwicklung
hat seinen Lauf genommen. In unserer 25 jährigen Geschichte in Sachsen-Anhalt
konnten wir einige grüne Erfolge verbuchen und haben politische Entwicklungen
gesehen, die uns auch an unsere Grenzen gebracht haben. In den zurückliegenden
Jahren gab es aber auch zunehmend gesellschaftliche Rückschritte und
Verunsicherungen in großen Teilen der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt zu
beobachten. Alte konsensual geglaubte Werte wie Gleichheit, Freiheit,
Solidarität, Würde und Gerechtigkeit werden in einigen Teilen der Bevölkerung in
Frage gestellt. All das scheint verbunden mit einer politischen Lethargie, in
der auch wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN derzeit an einigen zentralen Punkten
Antworten schuldig bleiben. Diese großen politischen Aufgaben anzugehen, sollte
gerade auch die Aufgabe von BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt sein.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es uns gelingen kann, die aktuelle
politische Ratlosigkeit und Gereiztheit in Teilen der Gesellschaft, welche sich
bis in die Kernbereiche unserer liberalen Demokratie vorgearbeitet hat, von uns
in angemessener Weise beantworten zu können und ob wir politisch im Stande sind,
die erforderlichen Mehrheiten für die Umsetzung zu organisieren.
Ich bin davon überzeugt, dass wir ein Stück weit den Geist der Anfangsjahre
unserer bündnisgrünen Bewegung wiederbeleben müssen. Damit ist auch verbunden,
an der einen oder anderen Stelle mal zu diskutieren, was andere derzeit nicht
einmal zu denken wagen. So beispielsweise eine radikale Re-Demokratisierung der
Gesellschaft und seiner Institutionen und Angebote, eine offene
Kapitalismuskritik in Form von Hinterfragen des Neoliberalismus als politischer
Methode, das Kämpfen für linksliberale Politik, die Stärkung des
gesellschaftlichen Zusammenhalts und das Überwinden sozialer Ungleichheiten
sowie mehr Europa wagen.
Wir müssen in den nächsten Jahren Impulse für eine Erneuerung von
gesellschaftlichen Normen und Werten setzen und diese progressiv begleiten.
Alte konsensual geglaubte Werte wie Gleichheit, Freiheit, Solidarität, Würde,
Gerechtigkeit – wir müssen sie da, wo es sie noch gibt, erhalten – sonst
erkämpfen und neu definieren.
Es wird vor allem an uns liegen, ob eine bündnisgrüne Politik auch in Sachsen-
Anhalt eine Chance hat und als Gegenentwurf zu Nationalismus, Konservatismus und
fortschreitender gesellschaftlicher Spaltung dienen kann.
Mein konkretes Angebot:
Ich möchte in den nächsten Jahren, gemeinsam mit Euch, meinen Beitrag leisten
und das bündnisgrüne Politikangebot in Sachsen-Anhalt als Trutzburg für Freiraum
und Möglichkeiten eines jeden Menschen erhalten und gemeinsam mit allen
Engagierten im Land BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einem kraftvollen Bündnis für
Sachsen-Anhalt weiterentwickeln.
In der gesamtpolitischen Wetterlage in der Bundesrepublik sind deutliche
Anzeichen für einen Wandel des scheinbar Gewohnten zu spüren. Das Parteiensystem
der Bundesrepublik, in seiner aktuellen Verfasstheit, ist derzeit nicht in der
Lage, die drängenden Probleme der Menschen im Land in adäquater Weise in
politisches Handeln zu überführen. Hier zeichnet sich aus meiner Sicht erst der
Beginn eines Wandlungsprozesses ab, der in seinem endgültigen Ausmaß noch nicht
klar zu beschreiben bzw. zu fassen ist.
Die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl und der Landtagswahlen zeigen,
dass es in absehbarer Zeit keine Wunschkoalitionen zur Regierungsbildung geben
wird. In Sachsen-Anhalt befinden wir Bündnisgrüne uns seit einiger Zeit in einer
Kenia-Koalition. Diese Koalition ist sicher für keinen der Beteiligten eine
Wunschkoalition. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die wir uns entschieden haben an
dieser Regierung mitzuwirken, fordern die nächsten Jahre ein deutliches Agieren
für bündnisgrüne Inhalte. Wir müssen klar erkennbar bleiben und dürfen da, wo es
notwendig ist, auch Konflikte nicht scheuen. Dieses gilt es vor allem auch im
Landesvorstand zu organisieren. Ob nun als Partei, Fraktion oder als Ministerin.
Dem Landesvorstand und den Landesvorsitzenden kommt in dieser Phase eine
bedeutendere Rolle zu als in Oppositionszeiten.
Es braucht aus meiner Sicht ein umsichtiges Handeln v. a. des Landesvorstandes
und der beiden Vorsitzenden um hier in steuernder Funktion, wo notwendig mit
einer gewissen Härte aber auch moderierenden Ansätzen, die unterschiedlichen
Ebenen des politischen Agierens zu verbinden. Ein Höchstmaß an Transparenz und
die Organisation von Angeboten des politischen Mitwirkens sind da für uns
Bündnisgrüne von zentraler Bedeutung. Nur eine Politik von der Basis umgesetzt
durch ein strategisch kluges Vorgehen über Landesvorstand, Fraktion und
Ministerin können eine Politik erzeugen, die die Menschen im Land mitnehmen
kann.
Ich möchte in den nächsten Jahren einen Prozess der programmatischen Erneuerung
von BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt ermöglichen, der z. B. unser 25-
jähriges Jubiläum zum Anlass nimmt, eine Standortschau zu halten. Es ist aus
meiner Sicht an der Zeit, einen Prozess zu organisieren, der von der Basis über
die Kreisverbände, die Landesfachgruppen, dem Landesvorstand, der Fraktion und
der Ministerin eine programmatische Überprüfung bisheriger Praxen und
Forderungen ermöglicht und eine Möglichkeit für Neues und neue Themen eröffnet.
Auch in Vorbereitung auf die bevorstehenden Kommunalwahlen in 2019 sollten wir
unbedingt und sehr zeitnah über erweiterte Inhalte und Themen mit den Menschen
in unseren Kommunen ins Gespräch kommen. Neben einer konsequenten Öffnung
unserer Listen sollten wir in den verbleibenden Monaten bis zu dieser Wahl mit
den Menschen vor Ort ein Wahlprogramm entwickeln, welches ein Engagement auf
unseren Listen attraktiv gestaltet und sich an den Bedarfen der jeweiligen
Kommune orientiert.
Meine Erfahrungen der letzten Landtagswahl als Direktkanditat in der Altmark und
der Bundestagswahl, wo ich unser Politikangebot auf Listenplatz 2 der
Landesliste und ebenfalls als Direktkanditat vertreten durfte, zeigte mir in
besonderer Weise, dass wir in Sachsen-Anhalt vor einigen Herausforderungen
stehen, unsere bündnisgrünen Inhalte an die Menschen im Land zu vermitteln.
Wir sind in Sachsen-Anhalt in einem Bundesland der weiten Flächen und langen
Wege. Wir sind für die große Fläche insgesamt dünn besiedelt. Außerhalb der
Ballungszentren gibt es generell wenig Menschen in der Fläche und von den
Wenigen (ein Teil der Wahrheit) engagieren sich eben sehr Wenige für unser
bündnisgrünes Politikangebot. Ob es nun daran liegt, dass politisches Engagement
generell rückläufig ist oder wir eben keine passenden Antworten oder Angebote
bereithalten, gilt es zeitnah zu überprüfen und zu bearbeiten.
Aus meiner Sicht brauchen wir dringend neue Anspracheformate für die Menschen im
Land. Es braucht eine Aktivierung des Politischen in einer breiten Schicht von
Menschen in Sachsen-Anhalt. Wir sollten hier einen Weg finden, mehr Menschen für
nachhaltiges Engagement zu aktivieren. Ein erster Schritt könnte sein, den
Menschen in all unseren Botschaften sehr klar in den Mittelpunkt zu rücken.
Lasst uns für Chancengleichheit und gute Bildung für alle Kinder, Jugendlichen &
Erwachsenen eintreten. Denn egal ob in städtischen oder ländlichen Räumen, ob in
wachsenden oder schrumpfenden Regionen, alle Menschen müssen die gleichen
Chancen haben, an der Gesellschaft teilzuhaben – unabhängig von ihrer Herkunft
und ihrem Geldbeutel.
Der Zugang zu guter Arbeit, zu ärztlicher Versorgung, Pflege, Schulen und
Kinderbetreuung, Angeboten der Jugend- und Sozialarbeit, digitalen Angeboten, zu
Kultur- und Freizeitangeboten und auch zu Einkaufsmöglichkeiten sollten
selbstverständlich sein.
Weitere Kürzungen an jeglicher sozialer Infrastruktur in allen Regionen im Land
müssen wir aktuell und zukünftig verhindern.
Die derzeitig bestehende digitale Kluft zwischen Stadt und ländlichen Regionen
gilt es in den nächsten Jahren zu schließen. Wir müssen hiermit Sorge tragen,
dass schleunigst erhebliche Mittel für den Ausbau von schnellem Internet in der
Fläche bereitgestellt werden.
Lasst uns weiterkämpfen für eine regionale Wirtschaft und Landwirtschaft, die im
Einklang mit der Natur wirtschaftet und allen Menschen im Land ein gutes Leben
und gutes Wirtschaften ermöglicht und auch den heimischen Tieren und Insekten
ihren Lebensraum sichert.
Last uns für ein Politikverständnis eintreten, in dem ländliche Räume nicht nur
problembezogen betrachtet werden. Lasst uns die Stärken und Chancen dieser Räume
erkennen und nutzen. Ländliche Räume brauchen zukünftig eine angemessene
finanzielle Ausstattung, um ihre Aufgaben im Sinne der Bürger*innen auch
bewältigen zu können.
Kurzgesagt: Es braucht einen klaren Kurs für unser zukünftiges bündnisgrünes
Politikangebot!
Dieser sollte klar geprägt sein von der Devise „der Mensch im Mittelpunkt“.
Lasst uns gemeinsam Antworten finden und formulieren, die eine klare
ostdeutsche, eine soziale, eine differenziert ländliche und städtische
Perspektive beinhalten. Eine Perspektive, die ökologisch, progressiv und
nachhaltig ist.
Mit großem Respekt vor den kommenden Aufgaben bewerbe ich mich um das Amt des
Landesvorsitzenden auf dem offenen Platz und hoffe auf eure Unterstützung.
Mit besten Grüßen
Mirko Wolff
Zu meiner Person:
Mirko Wolff, Dipl. Soz.-Päd. (FH), 42 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, Kalbe
(Milde). Ich bin seit 15 Jahren als Bildungsreferent und Berater bei einer NGO
in Sachsen-Anhalt tätig. Durch meine langjährige Arbeit in der Konzeptionierung
und Durchführung von Bildungs- und Beratungsformaten in der politischen Bildung
verfüge ich über umfangreiche Erfahrungen in Beratung und Coaching, in der
Netzwerkarbeit, der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements und bei der
Initiierung und Begleitung und Moderation demokratischer Beteiligungsprozesse.
Über viele Jahre bin ich bereits politisch tätig und war im Stadtrat,
Ortschaftsrat und als Ortsbürgermeister aktiv. Ehrenamtlich engagiere ich mich
schon seit frühester Jugend und aktuell in unterschiedlichen sozialen und
kulturellen Projekten bzw. Vereinen.
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